Wahrscheinlich hat schon jeder darüber nachgedacht, was alles man
machen würde, wenn man die Möglichkeit hatte, am politischen Leben
mitzuwirken. In meinem Beitrag geht es aber um Jugendliche, die sich
nicht nur Gedanken gemacht haben: Sie haben eine eigene Partei
gegründet.
Sechs Jugendliche, Daniel Hettrich-Keller (24), Niko Hauzenberger
(20), Sebastian Gattringer (23), Thomas Hochreiter (20), Max Wagner
(20) und Paul Eidenberger (19) bilden die Erste Leonfeldner
Wählerinitiative Irreparabler Sorgenkinder, die ELWIS Preslee Partei
Bad Leonfelden.
In dieser oberösterreichischen Stadt mit 4064 Einwohnern war im
September 2009 ein kleines Wunder geschehen, denn die vor kurzem
gegründete ELWIS schaffte mit 17,9 Prozent der Stimmen den Einzug in
den Gemeinderat. Somit ist sie die zweitgrößte Partei der Gemeinde
nach der ÖVP geworden, hat fünf Mandate bekommen und Daniel
Hettrich-Keller konnte die Position als Stadtrat antreten.
Die politischen Ziele der aus jungen Arbeitern und Studenten
bestehenden Partei sind eindeutig: Die Vertretung der Jugendlichen in
der Politik, Verstärkung des Gebrauchs von erneuerbaren Energie,
Modernisierung der öffentlichen Gebäude in Bad Leonfelden,
Unterstützung von Kunst und Kultur und „Rettung der Jugend durch
Rock'n Roll“.
Und was haben die Jungs alles erreicht? Seitdem sie im Gemeinderat
aktiv tätig sind, haben sie eine ganze Reihe von Anträgen
eingereicht. Die Jugendtaxis wurden eingeführt, das heißt,
Jugendliche im Alter von 16 bis 19 können diese Verkehrsmittel in
Anspruch nehmen, damit man sicher ans Ziel kommt. Außerdem wurde
2010 nach ihrer Idee ein Funcourt gebaut, wo auch Fußballturniere
organisiert werden können. Im selben Jahr ist ihr erstes Parteiblatt
erschienen, dessen Ziel es ist, die Bevölkerung über die Tätigeit
des Gemeinderats zu informieren.
Für die Zukunft haben sie noch viele Ideen und Ziele; darüber
und über den Anfang ihrer politischen Tätigkeit, über die
Partizipation der Jugendlichen im politischen Leben habe ich mit
Thomas Hochreiter ein Interview geführt.
Wie seid ihr dazu gekommen, in so einem jungen Alter eine eigene
Partei zu gründen?
Wir waren mit der aktuellen politischen Situation in unserer
Gemeinde unzufrieden. Die ÖVP, welche eher konservative
Wertvorstellungen vertritt, hat bei uns die absolute Mehrheit im
Gemeinderat und wir „alternativen“ Jugendlichen haben uns nicht
repräsentiert gefühlt. Natürlich hätte es die Möglichkeit
gegeben uns bei den drei großen Parteien ÖVP, SPÖ oder FPÖ zu
engagieren, allerdings konnten wir uns mit keiner wirklich
identifizieren und so blieb uns praktisch nur die Gründung unserer
eigenen Bürgerinitiative.
Wie schwer war der Anfang?
Wir sind eigentlich genau genommen keine Partei, sondern eine
Bürgerliste. Für die Gründung benötigten wir nur
Unterstützungserklärungen, Statuten und natürlich Mitglieder. All
das war kein größeres Problem und wir gingen euphorisch in die
heiße Vorwahlphase.
Mit 17,9% der Wählerstimmen als zweitstärkste Kraft in den
Gemeinderat einzuziehen übertraf allerdings unsere kühnsten Träume
und plötzlich bekamen wir fünf Mandate obwohl wir nur vier
Kandidaten zur Wahl gestellt hatten. Das fünfte Mandat ist bis 2015
nicht besetzt da eine Nachbesetzung gesetzlich nicht möglich ist.
Der Beginn der politischen Aktivität war ein Sprung ins kalte
Wasser. Zum Glück wurde uns von verschiedenen Seiten Hilfe
angeboten, genauer gesagt von allen oppositionellen Parteien und von
den Grünen die nicht zur Wahl angetreten sind, die Arbeit in den
Sitzungen und Ausschüssen und öffentliche Auftritte mussten wir
aber natürlich selber machen und stießen dabei immer wieder an
unsere Grenzen. Ein großes Problem ist, dass die älteren Politiker
meist schon ein geregeltes Privatleben haben und sich ihren Job
relativ eigenständig regeln können wogegen es bei uns immer wieder
eine Herausforderung ist den Terminplan für Studium bzw. Job mit dem
Sitzungsplan und dem politischen Tagesgeschäft zu vereinbaren
welches oft sehr kurzfristig ist.
Mittlerweile sind wir ca. zweieinhalb Jahre im Amt und haben eine
gewissen Routine und Selbstsicherheit in unseren Funktionen
entwickelt die die Arbeit um einiges erleichtert.
In Ungarn sehe ich ein großes Problem darin, dass in den Schulen
zu wenige Kenntnisse über das politische System des Landes
vermittelt werden, so verstehen viele Jugendliche nicht viel von der
Politik. Wie ist die Lage in Österreich?
Ich habe mit politischer Bildung eigentlich ziemlich gute
Erfahrungen gemacht. Natürlich gibt es von Schule zu Schule
Unterschiede, aber generell wird versucht den Jugendlichen zu
erklären wie das politische und rechtliche System funktioniert und
dann wird ein Blick auf aktuelle Themen geworfen, der aber leider oft
zu kurz kommt. Schüler sind oft theoriemüde und frustriert da der
Stoff oft zu „trocken“ präsentiert wird. Was in meiner
ehemaligen Schule sehr gut angenommen wurde waren Podiumsdiskussionen
mit zwei bis drei Politikern der Großparteien. Auf diese Weise lernt
man die Persönlichkeiten die hinter dem Geschehen stehen besser
kennen und man kann mit ihnen über persönliche Anliegen
diskutieren.
Was denkt ihr, wie könnte man den Jugendlichen die Politik
näherbringen?
Ich muss zugeben dass auch wir keine konkrete Lösung parat haben,
durch unser Engagement konnten wir nur einige wenige wirklich für
Politik interessieren. Meiner Meinung nach sollte man die Frage
überdenken. Ist des nicht eher so das die Politik dem Volke dienen
sollte? Sollte demnach nicht die Politik versuchen den Jugendlichen
näherzukommen? Man kann Jugendlichen noch so oft sagen sie sollen
wählen gehen, man kann in Schulen und Universitäten das Politische
System ins kleinste Detail unterrichten, die meisten Jugendlichen
werden sich nicht für die Politik interessieren. Der Wandel muss
sich in der Politik vollziehen, derzeit fehlen die Charaktere mit
Ecken und Kanten. Es gibt kaum polarisierende Persönlichkeiten mit
denen sich die breite Masse identifizieren kann (zumindest in
Österreich nicht) oder die zumindest viele für kompetent in ihrem
Fachgebiet halten.
Die Politiker müssen wieder auf die Straße gehen, den
Jugendlichen näherkommen. Durch Social-Networks wird das erleichtert
und leider machen in Österreich die rechtspopulistischen der FPÖ
unter HC Strache vor wie das funktioniert. Die Regierungsparteien
versagen in dieser Hinsicht ziemlich.
Gerade für Jugendliche ist im Internet die Hemmschwelle ihre
Meinung zu sagen um vieles niedriger, auch weil Politiker ihre
rhetorische Überlegenheit in diesem Fall nicht ausspielen können.
Deswegen bin ich bzw. sind wir Befürworter der „Piratenparteien“
die derzeit in vielen Europäischen Ländern gegründet wurden. Auf
Gemeindeebene (ca. 4500 Einwohner) ist das „Liquid Democracy“
System allerdings schwer umzusetzen, da es hauptsächlich um
Routineentscheidungen geht und somit nur wenige mitstimmen.
Vor kurzem habe ich in einer Zeitung gelesen:“Demokratie sollte
ständig in der Krise sein damit alle einen Grund haben für ihre
Meinung aufzustehen“ Zur Zeit haben sind wir eindeutig in einer
Krise und die Jugendlichen und Studenten werden die ersten sein die
aufstehen und sich dagegen wehren, so wie wir es in unserer Gemeinde
getan haben.
Was für Pläne habt ihr für die Zukunft? Welche sind die
wichtigsten Themen, mit denen ihr euch beschäftigt?
Wir sind in unserer Gemeinde mit der Leitung des Jugend- sowie des
Umweltausschusses beauftragt. Im Bereich Jugend versuchen wir das
(Jugend-)Kulturangebot zu verbessern und haben bei der Planung eines
Veranstaltungssaals in einem Ausstellungsgebäude mitgearbeitet.
Außerdem ist ein regionales Jugendtaxi geplant, welches Jugendliche
zwischen 16 und 19 gratis oder vergünstigt benützen können. Auch
haben wir bereits Veranstaltungen wie einen Ausflug nach
Auschwitz-Birkenau oder ein Fußballturnier organisiert.
Im Umweltbereich setzen wir verstärkt auf erneuerbare
Energieträger wie Hackschnitzel und Windenergie um weg von Fossilen
Brennstoffen zu kommen und unabhängiger zu werden. Des Weiteren sind
wir mit der Umsetzung eines neuen Abfallsammelzentrums beauftragt.
In Zukunft werden wir
verstärkt auf den Umbau bzw. die Renovierung der Schulen drängen,
welche längst überfällig sind und auf einen möglichen Windpark
der sich zum Teil auf unserem Gemeindegebiet
befindet.
Selbstverständlich versuchen wir auch stets
politikinteressierten Bürgern aller Altersklassen die Entscheidungen
des Gemeinderats möglichst transparent und einfach zu vermitteln;
online unter www.elwis.at,
auf unserer Facebook Seite, unserer Zeitung der „ELWIS Presse“
und natürlich in den Vereinen und Lokalen in denen wir verkehren.
Unser Beispiel regt viele politikverdrossene Bürger an sich selbst
zu engagieren und denen stehen wir natürlich gerne Rede und Antwort
wenn es um Erfahrungen oder Tipps geht.
ELWIS ist ein gutes Beispiel für Jugendliche, die Zweifeln haben,
ob die politische Stellungnahme und Partizipation neben der Schule
oder dem Studium möglich ist. Man muss immer „klein“ anfangen,
und manchmal ist der Weg nicht einfach, aber wenn man ausdauernd
genug ist, kann man die Ziele erreichen und mitbestimmen, wie man
lebt. Die politische Anteilnahme ist ein wesentlicher Teil des
Lebens, mit dem man sich beschäftigen soll, denn davon hängt ab,
was man alles tun kann und was für Möglichkeiten und Chancen man im
Leben hat. Es ist immer gut zu hören, dass es Jugendliche gibt, die
sich darauf schon im jungen Alter konzentrieren. Hoffentlich werden
immer mehrere Leute diesem Beispiel folgen.
Danke für das Lesen,
Eszter
Als Quellen habe ich die folgenden Websites benutzt: