Dienstag, 10. April 2012

ELWIS

Wahrscheinlich hat schon jeder darüber nachgedacht, was alles man machen würde, wenn man die Möglichkeit hatte, am politischen Leben mitzuwirken. In meinem Beitrag geht es aber um Jugendliche, die sich nicht nur Gedanken gemacht haben: Sie haben eine eigene Partei gegründet.

Sechs Jugendliche, Daniel Hettrich-Keller (24), Niko Hauzenberger (20), Sebastian Gattringer (23), Thomas Hochreiter (20), Max Wagner (20) und Paul Eidenberger (19) bilden die Erste Leonfeldner Wählerinitiative Irreparabler Sorgenkinder, die ELWIS Preslee Partei Bad Leonfelden.

In dieser oberösterreichischen Stadt mit 4064 Einwohnern war im September 2009 ein kleines Wunder geschehen, denn die vor kurzem gegründete ELWIS schaffte mit 17,9 Prozent der Stimmen den Einzug in den Gemeinderat. Somit ist sie die zweitgrößte Partei der Gemeinde nach der ÖVP geworden, hat fünf Mandate bekommen und Daniel Hettrich-Keller konnte die Position als Stadtrat antreten.

Die politischen Ziele der aus jungen Arbeitern und Studenten bestehenden Partei sind eindeutig: Die Vertretung der Jugendlichen in der Politik, Verstärkung des Gebrauchs von erneuerbaren Energie, Modernisierung der öffentlichen Gebäude in Bad Leonfelden, Unterstützung von Kunst und Kultur und „Rettung der Jugend durch Rock'n Roll“.

Und was haben die Jungs alles erreicht? Seitdem sie im Gemeinderat aktiv tätig sind, haben sie eine ganze Reihe von Anträgen eingereicht. Die Jugendtaxis wurden eingeführt, das heißt, Jugendliche im Alter von 16 bis 19 können diese Verkehrsmittel in Anspruch nehmen, damit man sicher ans Ziel kommt. Außerdem wurde 2010 nach ihrer Idee ein Funcourt gebaut, wo auch Fußballturniere organisiert werden können. Im selben Jahr ist ihr erstes Parteiblatt erschienen, dessen Ziel es ist, die Bevölkerung über die Tätigeit des Gemeinderats zu informieren.

Für die Zukunft haben sie noch viele Ideen und Ziele; darüber und über den Anfang ihrer politischen Tätigkeit, über die Partizipation der Jugendlichen im politischen Leben habe ich mit Thomas Hochreiter ein Interview geführt.



Wie seid ihr dazu gekommen, in so einem jungen Alter eine eigene Partei zu gründen?

Wir waren mit der aktuellen politischen Situation in unserer Gemeinde unzufrieden. Die ÖVP, welche eher konservative Wertvorstellungen vertritt, hat bei uns die absolute Mehrheit im Gemeinderat und wir „alternativen“ Jugendlichen haben uns nicht repräsentiert gefühlt. Natürlich hätte es die Möglichkeit gegeben uns bei den drei großen Parteien ÖVP, SPÖ oder FPÖ zu engagieren, allerdings konnten wir uns mit keiner wirklich identifizieren und so blieb uns praktisch nur die Gründung unserer eigenen Bürgerinitiative.


Wie schwer war der Anfang?

Wir sind eigentlich genau genommen keine Partei, sondern eine Bürgerliste. Für die Gründung benötigten wir nur Unterstützungserklärungen, Statuten und natürlich Mitglieder. All das war kein größeres Problem und wir gingen euphorisch in die heiße Vorwahlphase.

Mit 17,9% der Wählerstimmen als zweitstärkste Kraft in den Gemeinderat einzuziehen übertraf allerdings unsere kühnsten Träume und plötzlich bekamen wir fünf Mandate obwohl wir nur vier Kandidaten zur Wahl gestellt hatten. Das fünfte Mandat ist bis 2015 nicht besetzt da eine Nachbesetzung gesetzlich nicht möglich ist.

Der Beginn der politischen Aktivität war ein Sprung ins kalte Wasser. Zum Glück wurde uns von verschiedenen Seiten Hilfe angeboten, genauer gesagt von allen oppositionellen Parteien und von den Grünen die nicht zur Wahl angetreten sind, die Arbeit in den Sitzungen und Ausschüssen und öffentliche Auftritte mussten wir aber natürlich selber machen und stießen dabei immer wieder an unsere Grenzen. Ein großes Problem ist, dass die älteren Politiker meist schon ein geregeltes Privatleben haben und sich ihren Job relativ eigenständig regeln können wogegen es bei uns immer wieder eine Herausforderung ist den Terminplan für Studium bzw. Job mit dem Sitzungsplan und dem politischen Tagesgeschäft zu vereinbaren welches oft sehr kurzfristig ist.

Mittlerweile sind wir ca. zweieinhalb Jahre im Amt und haben eine gewissen Routine und Selbstsicherheit in unseren Funktionen entwickelt die die Arbeit um einiges erleichtert.


In Ungarn sehe ich ein großes Problem darin, dass in den Schulen zu wenige Kenntnisse über das politische System des Landes vermittelt werden, so verstehen viele Jugendliche nicht viel von der Politik. Wie ist die Lage in Österreich?

Ich habe mit politischer Bildung eigentlich ziemlich gute Erfahrungen gemacht. Natürlich gibt es von Schule zu Schule Unterschiede, aber generell wird versucht den Jugendlichen zu erklären wie das politische und rechtliche System funktioniert und dann wird ein Blick auf aktuelle Themen geworfen, der aber leider oft zu kurz kommt. Schüler sind oft theoriemüde und frustriert da der Stoff oft zu „trocken“ präsentiert wird. Was in meiner ehemaligen Schule sehr gut angenommen wurde waren Podiumsdiskussionen mit zwei bis drei Politikern der Großparteien. Auf diese Weise lernt man die Persönlichkeiten die hinter dem Geschehen stehen besser kennen und man kann mit ihnen über persönliche Anliegen diskutieren.



Was denkt ihr, wie könnte man den Jugendlichen die Politik näherbringen?

Ich muss zugeben dass auch wir keine konkrete Lösung parat haben, durch unser Engagement konnten wir nur einige wenige wirklich für Politik interessieren. Meiner Meinung nach sollte man die Frage überdenken. Ist des nicht eher so das die Politik dem Volke dienen sollte? Sollte demnach nicht die Politik versuchen den Jugendlichen näherzukommen? Man kann Jugendlichen noch so oft sagen sie sollen wählen gehen, man kann in Schulen und Universitäten das Politische System ins kleinste Detail unterrichten, die meisten Jugendlichen werden sich nicht für die Politik interessieren. Der Wandel muss sich in der Politik vollziehen, derzeit fehlen die Charaktere mit Ecken und Kanten. Es gibt kaum polarisierende Persönlichkeiten mit denen sich die breite Masse identifizieren kann (zumindest in Österreich nicht) oder die zumindest viele für kompetent in ihrem Fachgebiet halten.
 
Die Politiker müssen wieder auf die Straße gehen, den Jugendlichen näherkommen. Durch Social-Networks wird das erleichtert und leider machen in Österreich die rechtspopulistischen der FPÖ unter HC Strache vor wie das funktioniert. Die Regierungsparteien versagen in dieser Hinsicht ziemlich.
 
Gerade für Jugendliche ist im Internet die Hemmschwelle ihre Meinung zu sagen um vieles niedriger, auch weil Politiker ihre rhetorische Überlegenheit in diesem Fall nicht ausspielen können. Deswegen bin ich bzw. sind wir Befürworter der „Piratenparteien“ die derzeit in vielen Europäischen Ländern gegründet wurden. Auf Gemeindeebene (ca. 4500 Einwohner) ist das „Liquid Democracy“ System allerdings schwer umzusetzen, da es hauptsächlich um Routineentscheidungen geht und somit nur wenige mitstimmen.
 
Vor kurzem habe ich in einer Zeitung gelesen:“Demokratie sollte ständig in der Krise sein damit alle einen Grund haben für ihre Meinung aufzustehen“ Zur Zeit haben sind wir eindeutig in einer Krise und die Jugendlichen und Studenten werden die ersten sein die aufstehen und sich dagegen wehren, so wie wir es in unserer Gemeinde getan haben.


Was für Pläne habt ihr für die Zukunft? Welche sind die wichtigsten Themen, mit denen ihr euch beschäftigt?

Wir sind in unserer Gemeinde mit der Leitung des Jugend- sowie des Umweltausschusses beauftragt. Im Bereich Jugend versuchen wir das (Jugend-)Kulturangebot zu verbessern und haben bei der Planung eines Veranstaltungssaals in einem Ausstellungsgebäude mitgearbeitet. Außerdem ist ein regionales Jugendtaxi geplant, welches Jugendliche zwischen 16 und 19 gratis oder vergünstigt benützen können. Auch haben wir bereits Veranstaltungen wie einen Ausflug nach Auschwitz-Birkenau oder ein Fußballturnier organisiert.

Im Umweltbereich setzen wir verstärkt auf erneuerbare Energieträger wie Hackschnitzel und Windenergie um weg von Fossilen Brennstoffen zu kommen und unabhängiger zu werden. Des Weiteren sind wir mit der Umsetzung eines neuen Abfallsammelzentrums beauftragt.

In Zukunft werden wir verstärkt auf den Umbau bzw. die Renovierung der Schulen drängen, welche längst überfällig sind und auf einen möglichen Windpark der sich zum Teil auf unserem Gemeindegebiet befindet.
Selbstverständlich versuchen wir auch stets politikinteressierten Bürgern aller Altersklassen die Entscheidungen des Gemeinderats möglichst transparent und einfach zu vermitteln; online unter
www.elwis.at, auf unserer Facebook Seite, unserer Zeitung der „ELWIS Presse“ und natürlich in den Vereinen und Lokalen in denen wir verkehren. Unser Beispiel regt viele politikverdrossene Bürger an sich selbst zu engagieren und denen stehen wir natürlich gerne Rede und Antwort wenn es um Erfahrungen oder Tipps geht.



ELWIS ist ein gutes Beispiel für Jugendliche, die Zweifeln haben, ob die politische Stellungnahme und Partizipation neben der Schule oder dem Studium möglich ist. Man muss immer „klein“ anfangen, und manchmal ist der Weg nicht einfach, aber wenn man ausdauernd genug ist, kann man die Ziele erreichen und mitbestimmen, wie man lebt. Die politische Anteilnahme ist ein wesentlicher Teil des Lebens, mit dem man sich beschäftigen soll, denn davon hängt ab, was man alles tun kann und was für Möglichkeiten und Chancen man im Leben hat. Es ist immer gut zu hören, dass es Jugendliche gibt, die sich darauf schon im jungen Alter konzentrieren. Hoffentlich werden immer mehrere Leute diesem Beispiel folgen.



Danke für das Lesen,
Eszter



Als Quellen habe ich die folgenden Websites benutzt:



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