Das
Friedensabkommen von
Dayton das 1995 von
den Präsidenten von Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Serbien
unterschrieben wurde, brachte Frieden in die Region. Durch dieses
Abkommen kam es jedoch zur Teilung des Landes in zwei verschiedene
Entitäten, wobei auf dem Territorium der Föderation
von Bosnien und Herzegowina die Mehrheitsbevölkerung Bosniaken sind
und auf dem Territorium der Republika Srpska mehr bosnische Serben
leben. Obwohl dieses Friedensabkommen bereits vor 20 Jahren
geschlossen wurde, ist bis heute das politische System im Land nicht
geregelt. Der Grund dafür beruht auf den Problemen der nationalen
Zugehörigkeit, die immer wieder die Objektivität zum Beispiel bei
Wahlen, sowohl der führenden Politiker als auch der Wähler
beeinflussen.
Wie
steht dieses Friedensabkommen von Dayton aber nun mit dem heutigen
Tagesgeschehen
in Bosnien und Herzegowina in Zusam-menhang? Am
20.3.2012 versammelten sich ehemalige Mitglieder der Streitkräfte
von Bosnien und Herzegowina, die durch die Teilnahme am Krieg ein
Recht auf Frührente erworben haben, vor dem Gebäude des
Ministerrates von Bosnien und Herzegowina, um ihre noch ausständigen
Renten einzufordern. Schon
seit drei Jahren werden die Renten nicht ordnungsgemäß
ausgezahlt, so dass Schulden von insgesamt 29,8 Millionen KM (Mark)
entstanden sind. Die Soldaten drohen bereits am ersten Tag mit einem
Hungerstreik und fördern vom Staat die Lösung ihres
Problems. Dabei beziehen sie sich auf das Gesetz, das von der
parlamentarischen Tagung am Vorabend der allgemeinen Wahlen 2010
verabschiedet wurde. Das bereits bestehende Gesetz der Streitkräfte
von Bosnien und Herzegowina (OS BiH) wurde infolge dessen so ergänzt
und geändert, dass Soldaten, die bis 23. Dezember 1995 mindestens
zwei Jahre dem Land im Krieg gedient haben und dabei Mitglieder der
Armee von Bosnien und Herzegowina (ABiH), der kroatischen Abwehrmacht
(HVO) oder des Militärs der Republika Srpska (VRS) waren, und für
die der professionelle Militärdienst wegen ihrer Lebensjahre nicht
mehr verlängert werden konnte, in Frührente gehen können.
Die
Soldaten beschlossen nach der Änderung dieses Gesetzes ein Zeltlager
vor dem Parlamentsgebäude zu errichten, um so mehr Druck auf die
Regierung auszuüben. Ihr Pressesprecher Senad Hubijer machte es
ausdrücklich, dass die Soldaten so lange vor dem Gebäude ausharren
würden, bis ihr Fall in Augenschein genommen oder sie vor Hunger
sterben würden.
Das
Stichwort Not bringt
Menschen zusammen
offenbart sich hier, denn die ungefähr 1000 Männer, die jetzt
zusammen ihr Recht einfordern, standen sich vor 20 Jahren gegenüber
und schossen aufeinander. Die Feinde
von damals kämpfen
jetzt gemeinsam um ihr Überleben. Rechtlich hätten die Soldaten
ausbezahlt werden müssen, auch diejenigen, die damals gegen die
Föderation gekämpft haben, jedoch wurde damals bei der
Verabschiedung des Gesetzes ein sehr wichtiger Aspekt offensichtlich
nicht betrachtet: die Finanzen. Dadurch, dass das Land, von der
Wirtschaftskrise stark betroffen, sich in einer zunehmend
schlechteren, sowohl politischen als auch wirtschaftlichen Situation
befindet, ist es für den Staat schwer, die Renten auszuzahlen.
Fest
dazu entschlossen ihr Vorhaben bis zum Ende durchzuführen, bleiben
die Soldaten weiterhin in ihren Zelten. Nach zwei Tagen Hungerstreik
mussten einige medizinische Hilfe erhalten. Am dritten Tag wurde der
Hungerstreik aufgegeben. Bei anderen wiederum, verschlechterte sich
der psychische Zustand, da sie von den Vertretern des Ministerrates
provoziert, ausgelacht und nicht ernst genommen werden. Trotz der
starken Spannungen, gelang es den ehemaligen Mitgliedern der
Streitkräfte ruhig zu bleiben und ihren Streik ohne Exzesse
fortzuführen.
Den
Soldaten fällt es deutlich schwer auf dem kalten Betonboden die Tage
und Nächte zu verbringen, aber einfach nach Hause gehen, das wollen
sie nicht:
Hilfe
und Aufmerksamkeit bekommen die Männer von verschiedenen
nicht-staatlichen Organisationen, zudem unterstützen sie zahlreiche
Vereine von Bosniaken, Kroaten und Serben in Europa, Amerika und
Australien. Obwohl sie eine Lösung bis zum Ende der Woche erwartet
haben, stehen sie auch heute, 24 Tage nach dem Beginn des Streiks auf
demselben Platz und hoffen weiterhin auf ein friedliches Ende der
Proteste und die baldige Rückkehr zu ihren Familien.
Seminar "Sprachübungen"
Germanistisches Institut der Universität Sarajevo
In unserer Heimat gibt es auch viele Demonstrationen gegen die Maßnahmen der Regierung. Die Menschen gehen auf die Straßen und protestieren. Manchmal verlieren die Protestierenden ihre Geduld und dann kommt es zu Fällen, in denen sie ihre aggressiven Seiten zeigen. Am häufigsten laufen aber diese Aktionen friedlich ab.
AntwortenLöschenIn Ungarn ist die Erfahrung der meisten Menschen, dass man mit solchen Demonstrationen leider nichts erreicht. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Politiker die Masse nicht ernst nehmen. Nach den Versuchen ergibt sich die Gesellschaft ihrem Schicksal und nimmt die neuen Gesetze einfach wahr.
Leider scheint dies auch hier der Fall zu sein. Es scheint, als ob die Politiker einfach abwarten und hoffen, dass sich das Problem von selbst lösen wird. Anscheinend ist inzwischen schon ein Soldat gestorben und trotzdem bleibt die Öffentlichkeit ruhig und sieht nur zu.
LöschenIhr glaubt also nicht, dass solche Aktionen helfen bzw. etwas bewirken können? Eure Antwort hört sich sehr passiv und deprimierend an. Würdet ihr für eure Rechte auf die Strasse gehen? Würdet ihr als junge Leute Pensionisten unterstützen, die vom Staat plötzlich keine Pension bekommen, während die Gehälter der Politiker um 20% angehoben werden?
Wie sieht es bei euch in Ungarn aus? Ist das Einkommen eurer Großeltern gesichert? Wie würdet ihr alten Menschen helfen, die nur 20 Euro im Monat haben, um zu überleben?
In Ungarn müssen viele Menschen zwei oder drei Jobs parallel haben, um zu überleben und um die Familie zu ernähren. Es bleibt keine Zeit, für andere sich Gedanken zu machen. Das ist leider ein Problem. Die Regierung kann so einfach tun, was sie will. Das ist deprimierend. Aber die Menschen brauchen ihr ganze Aktivität für das eigene Leben. Natürlich manche versuchen etwas zu verändern und protestieren für Pressfreiheit oder gegen das neue Universitätgesetz, aber ohne Erfolg. Dann vielleicht denken sie, dass sie ihre Zeit besser nützen können als protestieren und bleiben zuhause.
LöschenDas ist eine spezielle Situation, dass Soldaten, die früher Feinde waren, und für verschiedene Zwecke kämpften, sind heute versöhnt.
AntwortenLöschenWir wünschen, dass euer gemeinsames Auftreten von Erfolg gekrönt ist. Aber aus eigenen Erfahrungen (Herbst 2006) wissen wir, dass ein Protest gegen die Regierung fast aussichtslos ist. Da man die Meinungen der Bürger keine Bedeutung zumisst.
Doch möge eure gemeinsame Demostration mehr Glück haben!
Der Erfolg solcher Aktionen ist immer fraglich. Trotzdem leben wir in Bosnien in einer Demokratie und jeder Mensch hat das Recht seine Stimme abzugeben. Auch wenn die Parteienlandschaft eher auf die ethnische Ausrichtung als auf der politischen aufgebaut ist, kann man mit seiner Wahl Druck ausüben. Das Problem in Bosnien und Herzigovina ist aber, dass eine Art politische Resignation herrscht, da sich der Staat seit Jahren, auch bedingt durch die Weltwirtschaftskrise, in politischer und wirtschaftlicher Stagnation befindet und das Interesse an Politik gerade bei Jugendlichen bei praktisch Null liegt. Anders als in Ungarn mit einem fast diktatorischen Viktor Orban, ist hier genau das Gegenteil der Fall. Es herrscht völlige Unstimmigkeit. Erkennt das Volk erst seine Macht durch Wahlen, Demonstrationen und Streiks Druck auszuüben, kann man eine Wandel herbei führen. Vielleicht muss es aber auch erst zu einer Eskalation kommen, damit auch Bosnien in der Gemeinschaft der drei Ehtnien einen ,,bosnischen'' Frühling erlebt.
AntwortenLöschenSJejna
"Vielleicht muss es aber auch erst zu einer Eskalation kommen" Ich meine, es ist eine Eskalation, vor der die Menschen Angst haben und deshalb schweigen. War in Bosnien nicht genug Eskalation? Und hat sie eine Lösung gebracht?
LöschenIn Ungarn auch hat die Regierung keinen Plan.