Donnerstag, 19. April 2012

Graffiti (Gastbeitrag aus Sarajevo)

 
Abgeleitet vom italienischem Wort sgraffio, was soviel bedeutet wie „kratzen“, gibt es Graffitis seit Menschen-gedenken. Seit dem Beginn der Menschheit sind Gemälde anfänglich auf Höhlen-wänden entstanden. Der Frühmensch hat mit Hilfe von Knochen oder Steinen Muster in den Fels gekratzt. Später entwickelte er Techniken, die Vorgänger der heutigen Sprüh- und Schab-lonentechniken waren. Graffitis haben es in den letzten 35 Jahren geschafft, in jeden Winkel der Welt vorzudringen und eine ungeheure Bandbreite an Stilen und interessanten Künstlern hervorzubringen. Die heutige Form des Graffiti entwickelte sich Ende 1960 in New York und Philadelphia, wo Künstler damit begonnen haben ihre Namen auf Wände und U-Bahnstationen zu schreiben. Obwohl Graffitis als Vandalismus bezeichnet werden, haben sie durchaus auch positive Seiten, da durch sie Protest zur Kunst wurde. 

Auch die Wände Sarajevos dienen als eine hervorragende Projektionsfläche für die Darstellung der Unzufriedenheit, des Protests und der kollektiven Meinung der Bürger. Als Beispiele dienen Graffitis, die ein politisches Statement äußern und die die Menschen anregen sollen nachzudenken und ihr Leben nicht in die Hände der korrupten Politiker zu legen. Graffitis wie „DOSTA“ (Genug), und „PAZI METAK“ (Vorsicht Kugel), vermitteln eine politische Botschaft. Hinter diesen Äußerungen stecken zwei gleichnamige Organisationen, die gegen Korruption und bürgerliche Passivität kämpfen. Dadurch, dass sie die Bürger zum Nachdenken über die politische Situation in BiH anregen, stellen sie einen Kontrast zu Vandalismus dar. Neben ihrer politischen Aussagekraft, haben sie auch die Kraft, die Stadt bunter und schöner zu gestalten. Dadurch, dass im Krieg viele Gebäude zerstört wurden, wurden diese Ruinen zu öffentlichen Kunstwerken, die ihr trübes Schicksal verstecken und eine schönere Seite zeigen.

Demzufolge können Graffitis als eine positive Form der Meinungsäußerung bezeichnet werden und außerdem das Städtebild verschönern.


5 Kommentare:

  1. Hier in Ungarn gibt es auch Grafitti. Jedoch nicht unbedingt mit politischem Inhalt, sondern sie dienen hier bei uns zu Selbstverwirklichung von Jugendlichen. Manche von ihnen werden vom Staat unterstützt. Es existieren Projekte, bei denen die Jugendlichen frei sprayen können z.B. auf dem Móricz Zsigmond Platz, wo die Jugendlichen verchiedenen Blumen und Pflanzen gezeichnet haben um die Wichtigkeit des Naturschutzes zum Ausdruck zu bringen. Natürlich gibt es auch eine vandalistische Seite, wobei sie auch Züge zerstören. Vor ein paar Jahren hatte MAV ( Ungarische Staatsbahn ) ältere Züge zur Verfügung gestellt, wo die Jugendlichen hätten darauf sprayen können, jedoch wollten diese Möglichkeit die Ihnen geboten wurde, nicht nutzen.

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  2. Wir sind damit einverstanden, dass Graffitis eine positive Form der Meinungsäußerung sein könnten, auch aus politischer Sicht, aber in Ungarn betrachten die meisten Menschen diese Art der Selbstverwirklichung eher als Vandalismus. Es gibt zwar auch in Ungarn freie Wände (Wände, auf die man legal sprühen darf), aber wir wissen nicht wie viele und wo sie sich befinden. Die meisten Graffitis in Ungarn tragen weder eine Nachricht, noch sind sie ästhetisch. Es handelt sich um in den meisten Fällen nur um unschöne Schmierereien.

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  3. In Wien sind alle Wände entlang des Donaukanals (ein Seitenarm der Donau, der sich mitten durch die Stadt zieht) frei für Graffiti-Künstler. Man findet dort sehr beeindruckende Werke.

    Viele Touristen spazieren den Donaukanal entlang und betrachten die Graffitis. Eine Freiluft-Galerie. Natürlich findet man auch auf Häuserwänden viele Graffitis, die allerdings zumeist sehr einfache Schriftzüge sind.

    Einer meiner liebsten findet sich im 20. Bezirk: Auf einer Betonmauer ist mit zwei Strichen ein kleines Feld markiert und zwischen den Strichen steht:

    / --- freedom of expression from here to here --- /

    Eine treffendere Beschreibung unserer Kultur des vermeintlichen "Individualismus" und unseres vorgeblichen "Liberalismus" kann ich mir nicht vorstellen.

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  4. Liebe Studies,

    seid ihr euch sicher, dass keine Botschaften hinter einigen Graffitis in Budapest stehen? Oft sind diese ja verschlüsselt und erst, wenn ihr ihnen Aufmerksamkeit schenkt, beginnen sie "eine Geschichte" zu erzählen. Oft braucht es einfach auch an Hintergrundwissen, damit eine "Schmiererei" verständlich wird. Hier in Sarajevo waren wir jedenfalls alle erstaunt, was wir alles durch Graffitis erfahren konnten, wenn wir nur genauer hinsehen. Übrigens zählt ja nicht das, was die meisten denken, sondern das, was ihr entdeckt und denkt.

    Wie sieht es bei euch eigentlich mit Meinungsfreiheit bzw. Pressefreiheit aus? Glaubt ihr, dass, wenn sich die Mediengesetze in Ungarn verschlechtern, Graffitis eine Möglichkeit darstellen, seine Meinung auszudrücken, ohne zensiert zu werden?

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  5. Als wir damit angefangen haben, über Graffitis zu recherchieren, konnten wir uns gar nicht vorstellen, dass in unserer Stadt Sarajevo zahlreiche künstlerisch dargestellte Graffitis zu finden sind. Wir waren auf der Suche nach dem sowohl ästhetisch schönsten als auch lehrhaften Graffiti in Sarajevo, und haben bisher viele entdeckt, die nicht nur pure Schmiererei darstellen. Sie befinden sich überall: an den Wänden von Gebäuden, Unterführungen, Eisenbahnwagen und Autobahnbrücken. Jedes Graffiti stellt eine versteckte kleine Welt dar und die Mehrheit enthalten einen politischen Hintergrund. Auf den ersten Blick „erzählen“ sie eine kurze Geschichte, die den Menschen durch ihre lehrhaften Nachrichten auf etwas hinweise. Da wir in einer hektischen modernen Welt leben, die von vielen technischen Fortschritten geprägt ist, in welcher die Freiheit der Meinungsäußerung eines Individuums im Hintergrund steht, versuchen die Jugendlichen in Sarajevo mit Graffitis auf ihre Rechte, auf die politische Situation in ihrem Staat oder auf Störungen und Probleme innerhalb der Gesellschaft hinzuweisen. Die meisten Graffiti sind illegal, aber mittlerweile sind sie zur Kultur und Kunst geworden. Beispielsweise werden sie hier an den Wänden der Gymnasium und Schulen oder Kindergarten gesprüht, wie z.B. rote Rosen für die verlorenen Menschen und Kinder im Krieg (1992-1995), oder schwarz-weiße Babys, die auf Anti-Racism hindeuten, usw. Meiner Meinung nach haben die Jugendlichen auf diese Art ihre „verlorene“ Freiheit wieder bekommen, durch Graffitis ihre Meinung zu äußern und ihre Ideen künstlerisch darzustellen.

    Dzenana S

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